Der Trigeminusnerv ist der zentrale Schmerznerv bei Migräne
Der Trigeminusnerv ist ein großer Hirnnerv. Er hat drei Äste, die den gesamten Gesichtsbereich und auch die Hirnhäute durchziehen. Diese gehen von einem Knotenpunkt im Schläfenbereich – dem Ganglion trigeminale – aus.
Dieser wichtige Hirnnerv sendet verschiedene Sinneseindrücke an das Gehirn. Dazu gehören Empfindungen wie Druck, Temperatur und Schmerz. Der Nerv steuert auch Bewegungen im Gesicht, er hat also eine motorische Aufgabe. Diese Funktion ist jedoch bei Migräne nicht wichtig.
Viele Enden des Trigeminusnervs durchziehen auch die Nasenschleimhaut. Dies ist für die Migräneentstehung sehr wichtig, wie Du später erfahren wirst.
Der Trigeminusnerv ist der Schmerznerv, der bei Migräne für die unerträglichen Kopfschmerzen verantwortlich ist: Er spielt eine zentrale Rolle bei der Schmerzentstehung und -wahrnehmung. Wie das genau funktioniert, erklären wir nun genauer.
Was passiert bei einer Migräne?
Eine Migräne entsteht in drei Schritten. In einem vierten Schritt klingt sie dann ab.
1) Auslöser: Reizung des Trigeminusnervs
Eine Migräne beginnt mit der Reizung des Trigeminusnervs. Oft werden die Trigeminusenden in den Hirnhäuten gereizt. Aber auch die Enden in der Nasenschleimhaut sind für Migränetrigger empfänglich, da sie nahe unter der Hautoberfläche verlaufen.
Reize, die den Trigeminusnerv triggern, können unterschiedlicher Natur sein. Es können zum Beispiel mechanische oder chemische Reize sein, wie Licht, Hormone, Gerüche oder auch Stress.
Insbesondere entzündungsfördernde Botenstoffe des Immunsystems wie CGRP und Interleukine (z. B. IL-6) reizen den Nerv. Diese Stoffe spielen auch im weiteren Verlauf einer Migräne eine große Rolle, worauf wir gleich näher eingehen (2).
Reizung des Ganglion trigeminale
Eine Migräne beginnt aber nicht immer mit der Reizung der Trigeminusenden. Neue Arbeiten eines dänischen Forschungsteams aus dem Jahr 2024 zeigen (1): Entzündungsfördernde Stoffe wie CGRP können auch das Ganglion trigeminale aktivieren. Das Ganglion ist der Hauptknotenpunkt des Trigeminusnervs. Wenn das Ganglion aktiviert wird, löst dies eine Migräneattacke aus.
Genau dies passiert bei einer Migräneaura und erklärt, wie eine Aura eine Migräneattacke triggern kann. Eine Aura beginnt mit einer sogenannten Streudepolarisierung im visuellen Cortex (das Sehzentrum des Gehirns). Dabei handelt es sich um eine wellenförmige Erregung der Nervenzellen, die die für die Aura typischen Sehstörungen hervorruft. Währenddessen werden vermehrt entzündungsfördernde Botenstoffe (insbesondere CGRP) gebildet und in die Hirnflüssigkeit abgegeben.
Die Forscher hatten eine weitere wichtige Erkenntnis: Bis vor kurzem dachte man, dass das Gehirn strikt vom Rest des Nervensystems getrennt ist. Dies soll das Gehirn vor schädlichen Stoffen zu schützen. Das Forschungsteam fand jedoch eine durchlässige „trigeminale Lücke“ direkt am Ganglion trigeminale: Durch diese Lücke kann die Hirnflüssigkeit mitsamt ihren Botenstoffen direkt auf die Nervenzellen des Ganglions einwirken und diese aktivieren.
Das erklärt auch, warum die Schmerzen erst nach der Aura einsetzen und meist nur einseitig auftreten – je nachdem, auf welcher Seite des Kopfes die Streudepolarisierung auftrat und welcher der beiden Trigeminusganglien aktiviert wurde (es gibt ein Ganglion im rechten und ein weiteres im linken Schläfenbereich).
2) Weiterleitung des Signals
Eine Migräneattacke wird also entweder durch eine Reizung der Trigeminusenden oder des Ganglion trigeminale ausgelöst. In beiden Fällen wird das Reizsignal zu den Trigeminuskernen im Hirnstamm weitergeleitet, wo es verarbeitet wird.
Hier passieren zwei Dinge:
1) Der ursprüngliche Reiz wird an Bereiche im Gehirn weitergeleitet, die für die bewusste Schmerzwahrnehmung zuständig sind. Sobald das Signal dort ankommt, nehmen wir den Schmerz bewusst wahr.
2) Es kommt zu einer Rückkopplung: Dadurch werden an den Enden des Trigeminusnervs in den Hirnhäuten Entzündungsbotenstoffe wie CGRP ausgeschüttet. CGRP fördert Entzündungen in den Gefäßen, die die Hirnhaut durchziehen und sorgt dafür, dass sich die Gefäße erweitern. In den Gefäßwänden sitzen Rezeptoren des Trigeminusnervs, die die Dehnung der Gefäße wahrnehmen. Diese senden wieder Schmerzsignale über das Ganglion trigeminale und die Trigeminuskerne zum Gehirn.
3) Teufelskreis verstärkt den Schmerz
Wie Du sicherlich schon erkannt hast, kommt es hier zu einem Teufelskreis: Der Trigeminusnerv schüttet CGRP aus. Dieses wiederum aktiviert den Nerv weiter und sorgt dafür, dass er noch mehr CGRP ausschüttet. Dies erklärt, warum der Schmerz schnell unerträglich wird, wenn die Kaskade einmal in Gang gekommen ist.
4) Der Teufelskreis wird durchbrochen, der Schmerz klingt ab
Irgendwann wird dieser Teufelskreis zum Glück durchbrochen, aber das kann sehr lange dauern. Eine Migräneattacke dauert ca. 4 bis 72 Stunden an (3).
Der Trigeminusnerv kann nicht unendlich viel CGRP ausschütten, die Kapazitäten sind begrenzt. Das ausgeschüttete CGRP wird auch kontinuierlich abgebaut. Wenn der Punkt erreicht ist, an dem die CGRP-Konzentration sinkt, beruhigen sich die überreizten Nervenzellen wieder.
Erbrechen oder Schlaf, der sogenannte Migräneschlaf, können eine Attacke auch abrupt beenden. Hier findet ein Reset des Nervensystems statt: Es wird also innerhalb kurzer Zeit wieder in den Normalzustand versetzt.
Triptane beschleunigen den Prozess
Triptane sind bei mittelschwerer bis schwerer Migräne das Mittel der ersten Wahl. Sie sorgen einerseits dafür, dass sich die geweiteten Blutgefäße wieder verengen. Andererseits hemmen sie die Freisetzung der entzündungsfördernden Botenstoffe, die die ganze Kaskade in Gang setzen und aufrechterhalten. So können Triptane den Teufelskreis durchbrechen, wodurch der Schmerz abklingt.
Was in der Theorie logisch klingt, funktioniert in der Praxis aber oft nicht ganz so gut: Bei 30 – 40 % der Migränepatienten schlagen Triptane nicht ausreichend an (4). Die Schmerzen bleiben trotz Triptanen unerträglich und halten für viele Stunden an.
Ein weiteres Problem von Triptanen ist, dass sie nur im Akutfall wirken. Sie verringern nicht die Migränehäufigkeit. Bei einer Migräne mit Aura dürfen sie auch erst genommen werden, wenn die Aura abgeklungen ist.
Hemmung von CGRP als Therapieansatz
Da CGRP eine so zentrale Rolle im Migränegeschehen spielt, ist die Hemmung von CGRP ein vielversprechender Ansatz. Tatsächlich gibt es CGRP-Hemmer, die an der Ursache der Migräne ansetzen, sogenannte CGRP-Antagonisten.
CGRP sorgt für eine Erweiterung der Blutgefäße, indem es an Andockstellen, sogenannte Rezeptoren, in den Blutgefäßen bindet. CGRP-Antagonisten blockieren entweder die CGRP-Andockstellen, wodurch CGRP nicht mehr binden und folglich seine gefäßerweiternde Funktion nicht mehr ausüben kann. Andere CGRP-Hemmer binden CGRP, wodurch es ebenfalls nicht mehr andocken kann.
Ein Vorteil von CGRP-Hemmern ist, dass sie nicht nur im Akutfall helfen, sondern auch vorbeugend angewendet werden können. Sie können die Migränetage halbieren, was für Betroffene eine enorme Erleichterung darstellt. Aber auch hier gibt es einen großen Haken: Nur ca. die Hälfte der Migränepatienten sprechen überhaupt auf die Therapie an. Darüber hinaus können sie eine Reihe von Nebenwirkungen verursachen. Da sie zudem sehr teuer sind und Daten zur langfristigen Sicherheit fehlen, werden sie nur vereinzelt eingesetzt.
Neuer Ansatz zur Vorbeugung von Migräne
Es gibt einen neuen Ansatz zur Vorbeugung von Migräne, der an der Ursache ansetzt. Weiter oben haben wir schon erwähnt, dass die Trigeminusenden in der Nasenschleimhaut bei der Entstehung von Migräne eine wichtige Rolle spielen.
Bei Migränepatienten ist die Nasenschleimhaut oft chronisch gereizt und durchlässig. Entzündungs- und Schmerzbotenstoffe reizen den Trigeminusnerv, wodurch das Risiko für eine Migräne stark erhöht ist. Deswegen können harmlose Reize wie Gerüche, Abgase oder Hormonschwankungen einen Migräneanfall auslösen.
Bei dem neuen Ansatz handelt es sich um ein Nasenspray, das die Reizstoffe bindet und ausspült. Gleichzeitig bildet es einen Schutzfilm, wodurch sich die Nasenschleimhaut regenerieren kann. Dadurch wird die Barrierefunktion der Schleimhaut wiederhergestellt.
Aktuelle Studien zeigen, wie effektiv dieser Ansatz ist: Bei täglicher Anwendung geht schon ab der 5. Woche die Migränehäufigkeit zurück. Nach zwölf Wochen wird eine vollständige Schutzwirkung erreicht: Das Nasenspray reduziert die Häufigkeit, Intensität und Dauer der Migräneattacken. Bei 22 % der Anwender werden die Migränetage sogar mindestens halbiert (5). Es wirkt gleichermaßen bei Migräne mit und ohne Aura. Hier findest Du das Premigran Nasenspray zur Vorbeugung von Migräne.
(1) Kaag Rasmussen M, Møllgård K, Bork PAR, Weikop P, Esmail T, Drici L, Wewer Albrechtsen NJ, Carlsen JF, Huynh NPT, Ghitani N, Mann M, Goldman SA, Mori Y, Chesler AT, Nedergaard M. Trigeminal ganglion neurons are directly activated by influx of CSF solutes in a migraine model. Science. 2024 Jul 5;385(6704):80-86.
schließen
Quellen
(2) Wattiez AS, Sowers LP, Russo AF. Calcitonin gene-related peptide (CGRP): role in migraine pathophysiology and therapeutic targeting. Expert Opin Ther Targets. 2020 Feb;24(2):91-100.
(3) Headache Classification Committee of the International Headache Society (IHS) The International Classification of Headache Disorders, 3rd edition. Cephalalgia. 2018 Jan;38(1):1-211.
(4) Diener HC, May A. New migraine drugs: A critical appraisal of the reason why the majority of migraine patients do not receive an adequate medication. Cephalalgia. 2024 Mar;44(3):3331024241228605.
(5) Shrivastava et al. Preventing migraine by reducing nasal surface contaminants & restoring nasal mucosa integrity: Clinical efficacy of a new generation of polymeric osmotic treatment- MIGSPRAY. Clinical Investigation (Euro.). 2023; 13(1), 316–326.